Der Begriff „Suzani“ kommt aus dem Persischen und bedeutet soviel wie Nadelarbeit. Ursprünglich wurde der Suzani von den Frauen nur für den Eigenbedarf, als Wandbehang, Bettüberwurf, Vorhang, Tischdecke oder Gebetsmatte angefertigt. Suzanis waren auch Teil der Aussteuer, sowohl in der Stadt als auch auf dem Land. Hier konnten die Frau schon einmal zeigen, was sie im Bereich der Handarbeiten so alles drauf hatte. Nach der Hochzeit wurden die Suzanis zunächst auf das Bett gelegt, später kamenOriginalität sie dann an die Wand.
Suzanis wurden aber nicht nur für den eigenen Bedarf hergestellt, ab Mitte des 19. Jh. wurden Suzanis zunehmend zu Handelsartikel. Es gab schon Anfang des letzten Jahrhunderts eine eigenen Suzani-Markt. Der amerikanische Journalist William Eleroy Curtis beschrieb in seinem 1911 erschienen Buch „Turkestan: The Heart of Asia“, das man in Istanbul oder Chicago angenehmer und eher noch günstiger Suzanis kaufen könnte als in Turkestan selber.
Alles in allem haben die Suzanis durch ihre Entwicklung zur Handelsware schon Ende des 19.Jh. einen Verlust an Qualität und Originalität erlebt. Durch das Ausführen der Stickerei mit einem Tambour, einer Art Häkelnadel, die leicht und schnell über ein auf einen Rahmen ausgespanntes Tuch zu führen ist, ging schon damals die mühsame Arbeit sehr schnell von der Hand. Durch die Anpassung des Designs an den Geschmack der ausländischen Kundschaft, die vornehmlich aus Russland und England kam, verloren die Suzanis schon damals ihre Orginalität.
Das Aufkommen der Nähmaschinen um 1870, etwa zeitgleich mit den chemischen Anilinfarben, bewirkten eine weitere Verarmung in Technik, Mustern und Farben.
In den Zeiten unter sowjetischer Herrschaft wurde die Suzaniproduktion dann immer mehr industrialisiert und die bestickten Decken wurden im grossen Stil in eigenen Kolchosen angefertigt. Gerne thematisch auf bestimmte Feiertage und generell mit einer eher unmuslimischen Motivik. In dieser Zeit waren Suzanis weniger Exportschlager.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde durch den wieder stärker werdenen Tourismus auch das Interesse des Westens an usbekischen Handarbeiten wieder größer. Diese Neuausrichtung auf das alte Handwerk wir nicht zuletzt bis heute durch das diktatorische Regimes Karimovs gefördert. Es entstand eine neue Suzani-Industrie, die sich stark an den alten Mustern, Techniken, Stoffen und Motiven orientiert. Leider geht den meisten dieser Werke, auch wenn sie handwerklich meisterlich gemacht sind und sich an den Traditionen orientieren, ein gewisser Charme und Esprit ab. Sie sind oft zu gleichförmig, perfekt und genormt gestaltet.
Die heutigen Handwerkszentren der Suzanis, ob sie nun in Workshops, Manufakturen oder in Heimarbeit angefertigt werden, sind in Tashkent, in Nurata, Samarkand, Bukhara und Sharisabz. Dabei hat jedes Zentrum seinen eigenen Stil, wobei die Sticktechniken eigentlich gleich sind. Heute sind die Suzanis auf handgewebten Stoff gefertigt, meist mit einem seidenen Kettfaden und einem Schussfaden aus Baumwolle (Adras Stoff). Sie werden mit Tee in ein leichtes Beige eingefärbt. Damals wie heute wurden zuerst die schmal gewebten Stoffbahnen locker zusammengewebt, dann wurde das Muster auf ihnen vorgezeichnet, in der Regel von professionellen Vorzeichnerinnen (Kalamkasch). Danach werden die Bahnen wieder getrennt und von mehreren Frauen gleichzeitig einzeln bestickt. Sonst würde man bei diesen Stickmassen nie fertig werden. Ab und an sieht man die unterschiedlichen Sticksprachen der Stickerinnen bei den am Ende wieder zusammengesetzten Suzanis sehr deutlich. Gerne wird auch ein Fehler in den Suzani eingebaut oder ein Stück des Suzanis unbestickt gelassen. Es gibt die islamische Sitte nicht besser zu sein wollen als Gott, und es gibt den eher auf die Region bezogenen Glauben an die bösen Geister, die man mit zuviel Perfektion nicht verärgern wollte.
Die beiden traditionellen Stickarten sind Basma Stich und Kettstich, wobei der Basma Stich auch heute noch für das besticken größerer Flächen verwendet wird. Mit dem Kettstich, der meist zusammen mit einem Stickrahmen verwendet wird, werden feinere Details und Ränder gestickt. Heute verwendet man übrigens in der Regel wieder Naturfarben. Granatapfel, Indigo, Sumac, Walnuss und andere Pflanzen und Kräuter ergeben meistens besser haltbare Farben als die besonders zu Sowjet Zeiten schlechten, synthetischen Färbungen.
Die Motive sind in der Regel an die Natur angelehnt, ob nun sehr realitätstreu wiedergegeben oder abstrahiert. Die großen, runden und roten Kreise, die „Sonnen“ der Suzanis aus Samarkand, stehen zum Beispiel für Granatäpfel als Symbole der Fruchtbarkeit.
Natürlich haben mehr oder wenige alle Motive und Ornamente einen positiven, symbolischen Mehrwert wie Glück, Gesundheit und Fruchtbarkeit. Von Fischen, Ranken, Vögeln, Blumen und Rosetten bis zu allen Arten von Medaillons. Und natürlich spielt in der Stickerei auch das Fernhalten der bösen Geister eine Rolle, wie zb. im Motiv der Pfefferschoten, die diese Geister durch ihre Schärfe in die Flucht schlagen. Nicht zu Vergessen auch der Einfluss benachbarter Kulturen, wie der osmanische Tulpe und anderen ottomanische Motiven, die man in den zentralasiatischen Nadelarbeiten finden kann.
Heute werden die Suzanis nach ihren unterschiedlichen Herkunftsgebieten unterteilt. So können zumindest die Museumsstücke, die einen eindeutigen lokalen Stil zeigen, zugeordnet werden. Es gibt allerdings viele Stücke, die diese Eindeutigkeit nicht haben und nur nach Abwägung und Gefühl zugeordnet werden können. Suzanis aus der Region von Bukhara sind besonders variationsreich und haben oft einen sehr feinen Stich, eine reiche Farbpalette und eine detailreiche Ausführung. Suzanis aus Nurata sind meist beigefarben mit einer Menge bunter Sträucher und Blüten. Suzanis aus Samarkand haben gleichmässig angeordnete oft sehr große Motive in reduzierten Farben, oft sind es Schwarz, Beige und Rot. Der Stil aus Tashkent ist von einer flächendeckenden Stickerei mit meist roten, kreisrunden und komplett ausgestickten Motiven bestimmt. Sie werden von der Literatur in Zusammenhang mit alten astralen, vorislamistischen Vorstellungen gesetzt. Generell haben die älteren Suzanis aus dem späten 18. und 19. Jh. wie bei Orientteppichen ein starkes Mittelfeld mit einem gestalteten Rand. Jüngere Suzanis folgten dieser Aufteilung nicht mehr so streng
Mehr lesen über die Suzanis aus spätsowjetischer Zeit.
Bilder linke Reihe von oben nach unten :
1. Frauen beim Sticken auf einem Wandgemälde im Museum für angewandet Kunst in Tashkent.
2. Antiker Suzani aus Bukhara, gesehen im Museum für angewandet Kunst in Tashkent.
3. Susani aus Tashkent mit flächendeckend bestickten Sonnensymbolen. ende 19. Jh. Gesehen in der Akbar House Gallery in Bukhara.
4. Antiker Suzani Samarkand, gesehen in der Akhba House Gallery in Bukhara.
5. Wanddekoration in einem alten Haus ehemals reicher Kaufleute in Bukhara.
6. Suzani, der in Chiva zum Verkauf angeboten wird. Den Farben, Stoffe und Stickerei nach wahrscheinlich aus den 70er Jahren.
7. Antiker Suzani wahrscheinlich aus Shafirkan, gesehen im Museum für angewandte Kunst in Tashkent.
8. Die Wandgestaltung in den Häusern reicherer Leuten zeigt mit ihrem Hand zu kleinteilig, gemetrisch angehordneten Motiven im Überfluß ihre Nähe zur Textilkunst des Landes. Museum für angewandet Kunst in Tashkent.
9. In einem Museum in Chiva. Mit einem Suzani aus der Region.
10. Im Inneren einer Pension in Samarkand. Alte Nadelarbeiten passen auch gut zu altertümlichen Elektrogeräten.
11. Suzanis sind vielseitig einsetzbar. Eine Pension in Samarkand.
12. Suzanis aus Nurata. Aus: O.A. Sukhareva, Suzanis, Tashkent 2013