Khadi nennt man in Indien produzierte Stoffe, die handgesponnen und handgewebt sind. Meistens sind sie aus Baumwolle, ab und an werden sie mit Seide oder Wolle gemischt. Oft werden Handtücher aus ihnen gemacht, man nennt sie Gamcha. Die Tücher liegen auf den Schultern der Männer, damit sie sich schnell den Schweiß abwischen können. Größere Tücher werden als Lungis, Wickelröcke, benutzt, kleinere als Taschentücher. Das Einzigartige an Khadi, auch Khaddar genannt, ist seine meist zweifarbige Struktur und die kleinen Farbstreifen an den Rändern. Die Textur der Stoffe ist immer etwas grob, durch das Benutzen werden sie mit der Zeit immer weicher. Ganz Indien ist zu Recht stolz auf seinen Khadi, und das hat auch historische Gründe.
Das Herstellen und Handeln mit Stoffen hat in Indien eine sehr lange Geschichte. Das älteste, gefundene Baumwollfragment der Welt stammt aus der Zeit 4450-3000 BC, wurde im heutigen Jordanien gefunden und kommt höchstwahrscheinlich aus Indien. Das römische Reich wurde ebenso mit Stoffen beliefert, wie China oder Indonesien. Durch die Entdeckung des Seeweges durch Vasco da Gama rückte Europa in das Blickfeld. Mit Unterstützung der britischen Krone baute die East Indien Company ein unvergleichliches Handelsmonopol auf und übernahm schleichend die Kontrolle und Herrschaft des Landes. Der Textilhandel war dabei nur ein Baustein einer Politik, deren einzigstes Ziel der Profit war. Anfang des 18 Jh. sprach Großbritannien, wie wie zuvor auch andere europäische Länder, einen Bann auf indische Stoffe aus, da sie günstiger und schöner waren als die eigenen, und die heimische Industrie gefährdeten. Mit dem Beginn der industriellen Revolution wurde in Indien nur noch das Rohmaterial gekauft. Das Land wurde mit maschinell hergestellten Stoffen aus Europa überschwemmt, es geriet immer mehr in Abhängigkeit und wurde 1858 als Britisch-Indien zur Kolonie des britisch Empire.
In dieser Zeit liegen auch die Anfänge der Swadeshi Bewegung, die später Mahatma Ghandi übernahm. Das Wort leitet sich aus dem altindischen svadeśin ab, sva mein eigen und deśa Land. Es ging in dem Kampf um Unabhängigkeit mit Hilfe eines Boykotts von britischen Produkten und der Förderung der eigenen Waren, insbesondere der Baumwolle. Zusammen mit den kleinen Handspinnrad, dem Charkha, wurde Khadi zu DEM Symbol des gewaltfreien Kampfes gegen die britische Kollonialmacht. Ghandi kleidete sich nur mit Khadi, jeden Tag saß er für mindestens eine halbe Stunde an seinem Charkha, das er auch auf Reisen mitnahm. 1921 erschien das Rad auf der von Gandhi entworfenen Nationalflagge. Kurz vor der Unabhängigkeit 1947 wurde es durch das Motiv des Dharmachakra ersetzt, dem Rad des Gesetzes. Bis heute ist es verboten, die indische Flagge aus einem anderen Material herzustellen als aus Khadi.
1925 wurde die „ All India Spinners Association“ gegründet, die seit 1956 als „Khadi, Village and Industries Commission“ geführt wird. Die staatliche Gesellschaft betreibt überall in Indien Geschäfte, in Delhi gibt es einen sehr großen Laden direkt am Connaught Place. Leider sind die schönsten Tücher dort ständig ausverkauft.
Am 19. September ist in Indien der Tag des Khadi. Ich hoffe, das ich dann dabei sein kann. Bis dahin übe ich mich in Geduld und denke an die Worte Ghandis über den langwierigen Prozess der Khadi-Herstellung: ‘If we have the ‘Khadi spirit’ in us, we would surround ourselves with simplicity in every walk of life. The ‘Khadi spirit’ means illimitable patience.