Als sich die Amerikaner 1975 aus Südostasien zurückzogen und damit endlich den Vietnamkrieg beendeten, ließen sie in Laos, dem Land der 1000 Elefanten, neben Tonnen von Landminen und Blindgängern auch den Grossteil ihrer geheimen Armee zurück, der „armée clandestine“, die sie seid Anfang der 60er Jahre aus dem Bergvolk der Hmong rekrutiert hatten.
Getrieben von ihrer Idee der Dominotheorie, von der Vorstellung eines seuchenartig ansteckenden Kommunismus, hatten die Amerikaner mit aller Gewalt versucht den Stellvertreterkrieg der Grossmächte in Vietnam für sich zu entscheiden. Dem alten Königreich Laos mit seiner friedlich entrückten Bevölkerung, das ohne Zugang zum Meer, eingekeilt zwischen Thailand und Vietnam liegt, wurde seine Lage zum Verhängnis. Die Versorgungsader der Vietcong, der Ho Chi Minh Pfad, verlief zu weiten Teilen durch laotisches Grenzgebiet, und die kommunistische Pathet Lao unterstützte ihre nordvietnamesischen Genossen und Nachbarn mit allen Kräften.
Laos wurde mit über zwei Millionen gefallenen Bomben zum meist bombardierten Land der ganzen Welt. Zwischen 1965 bis 1975 fielen in Laos mehr Bomben als im Zweiten Weltkrieg auf Deutschland und Japan zusammen.
Da Laos laut der Genfer Konferenz Neutralität besaß und Amerika dem Land nie offiziell den Krieg erklärt hatte, übernahm die CIA hier die Ausübung der amerikanischen Vietnampolitik. Und da sie nicht dem Kongress unterstellt waren, nach ihren eigenen Regeln. Die USA begannen noch vor dem offiziellen Beginn des Vietnamkrieges, in Laos unter dem Vorwand humanitärer Hilfe einen Krieg unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Sie führten ihn mit ihrer eigenen Fluggesellschaft, der Air America, dem geheimen Militärstützpunkt Long Cheng, der zur zweitgrössten Stadt in Laos wurde und ihrere eigenen 30.000 Mann starken Guerilla Armee. Die Soldaten dieser Armee hatten bisher abgeschieden in den Bergen gelebt und hatten zuvor noch nicht einmal ein Auto gesehen. Jetzt durften sie fliegen und töten.
Angeführt von den Generälen Phumi und Vang Pao, natürlich ebenfalls Hmong, leisteten sie der CIA in den unzugänglichen Kriegsgebieten gute Dienste. Sie kannten sich bestens aus im Dschungel, aber nicht in Politik. Sie konnten, historisch bedingt, die Laoten und Vietnamesen nie leiden, die sie seid Jahrhunderten diskriminierten. Und ganz nebenbei wurde ein Teil dieser Kriegsmaschinerie durch ihren traditionellen Opiumanbau finanziert, und die amerikanischen GI´s in Saigon bei Laune gehalten. Den Hmong bot die CIA vermeintlichen Schutz vor den Bomben, die jeden Tag im Acht-Minuten-Takt fielen. Es gab einen guten Lohn, Lebensmittel und Unterkunft. Sie verdienten Geld und konnten sich Dinge leisten, von deren Existenz sie Monate zuvor noch nicht einmal geahnt hatten. Ein Leben in ungewohntem Reichtum, das sie teuer bezahlten. 60 % ihrer männlichen Bevölkerung kämpfte im Vietnamkrieg für die USA, ihre Verluste waren zehnmal höher als die der Amerikaner.
Der amerikanische Botschafter in Südvietnam, U. Alexis Johnson umschrieb die Situation 1971 so: „(The Laos Operation) is something of which we can proud as Americans. It has involved virtually no American casualities. What we are getting for our money there…is, i think, to use the old phrase, very cost effective.“(1)
Den Preis dafür zahlen die Hmong noch heute. Nur 3000 von ihnen wurden gleich nach der Übernahme durch die kommunistischen Pathet Lao von den Amerikanern evakuiert. Die meisten flohen auf eigene Faust, benutzt und sitzengelassen zwischen ihren ehemaligen Feinden, auf gefährlichen Wegen in das benachbarte Thailand. Bis Ende der 70er Jahre wurden ca 30.000 Hmong von Amerika aufgenommen, bis 1990 fanden weitere 100.000 durch Auslieferungsverträge in den USA, Kanada, Australien und Frankreich einen neuen Platz. Es gibt nicht viele Völker, die heute so verteilt auf der ganzen Welt leben wie die Hmong. Von den weltweit ca. fünf Millionen lebt über die Hälfte in China, knapp eine Million in Vietnam, 500.000 in Laos, 150.000 in Thailand und circa 260.000 in Amerika. Die größten Hmong-Gemeinschaften außerhalb Asiens findet man in Kalifornien, Minnesota und Wisconsin. Seit Jahrhunderten von der Migration geprägt, leben sie hier in der Diaspora, verstreut und ausgegrenzt, fern ihres Ursprungs. Vang Pao, ihr alter, skrupelloser Kriegsgeneral aus Laos, war bis zu seinem Tod Anfang 2011 der Führer der „american hmong community“. Für uns wohl eher unverständlich.
Einige der in Laos gebliebenen „forgotten soldiers“ zogen sich nach Ende des Krieges weiter in die Berge, in die entlegenen Gebiete rund um Long Cheng zurück. Die Region wurde 1994 als Saysomboun, von der laotischen Regierung zum militärischen Sperrgebiet erklärt und erst 2006 wieder geöffnet. Hier leben auch heute noch Hmong Gemeinschaften als verlassene, zukunftslose Guerillatruppen in der dritten Generation ein einsames, entbehrungsreiches und bitterarmes Dasein im Dschungel. Mit dem Rücken zur Wand, umgeben von ihren Feinden, kämpfen sie weiter den Kampf, den es offiziell nie gegeben hat. In der Hoffnung, die CIA würde irgendwann kommen und sie befreien.
Noch zwanzig Jahre nach Kriegsende leugnete die amerikanische Regierung den geheimen Krieg in Laos. Auf Druck der Konservativen, um endlich auch den Veteranen des Laoskrieges die verdienten Kriegsehren entgegen bringen zu können, änderte sich dies unter Clinton in den 90er Jahren. Als Zeichen dafür wurde 1997 das Laos Memorial im Arlington National Cemetery in Virginia errichtet.
Aufgrund der anhaltenden schweren Menschenrechtsverletzungen der laotischen Regierung gegen die Hmong, die, ob versteckt im Dschungel oder in den staubigen Dörfern der Hochplateaus lebend, in Laos immer noch als die vergessene Armee der Amerikaner angesehen werden, flohen sie weiter in die Flüchtlingscamps nach Thailand. 2009 schob die thailändische Regierung 4500 Hmong unter grossem internationalem Protest gegen ihren Willen wieder nach Laos ab. Vor allen Dingen die Amerikaner protestieren gegen diese Abschiebung, weigerten sich aber selbst weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Bis heute wurden von amerikanischer Seite keine Reparationszahlungen an die laotische Zivilbevölkerung geleistet. Die laotische Regierung wiederum verweigert auch unabhängigen Beobachtern den Zugang zu den Flüchtlingslagern der Hmong. Sie betrachten sie, die unfreiwilligen Rückkehrer, als „illegale Migranten.“ Dementsprechend werden sie behandelt.
Die Hmong sind ein indigenes Volk, mit wahrscheinlich sibirischen und mongolischen Wurzeln. Sie lebten in China, bevor Teile ihrer Bevölkerung ab den 18 Jh. beschlossen das Land aufgrund der schlechten Behandlung durch die Han-Chinesen und dem Wunsch, zweimal im Jahr Reis zu ernten, Richtung Süden zu verlassen, und sich in den laotischen, vietnamesischen, thailändischen und burmesischen Teilen des südostasiatische Zentralmassiv nieder zu lassen. 2009 veröffentlichte der amerikanische Yale Professor und Politologe James C. Scott seine Theorie über eine ganz bewusste Abkehr der indigenen Völker Südostasiens von der Zivilisation durch ihren Rückzug in die Berge.(2) Auch das Fehlen von Schrift bei vielen dieser Völker sieht er als bewusste gesellschaftliche Entscheidung. Als eine Entscheidung gegen staatliche Vereinnahmung, gegen Herrschaft, Kontrolle, Geld, Macht und Politik.
Als hätten sie es geahnt.
1. William Blum. Killing Hope. London 2004. S. 140
2. James C. Scott: The Art of Not Being Governed: An Anarchist History of Upland Southeast Asia, Yale University Press, 2009
Die hier gezeigten Porträts sind von Albrecht Fuchs im Rahmen der Ausstellung: „HMONG AMERICANS. Albrecht Fuchs for International Wardrobe“ im März 2012 in der Galerie für moderne Fotografie in Berlin gezeigt worden.