Die Lao Tai gehören zur Volksgruppe der Dai, die in China und in einigen Gebieten Vietnams seid dem 6 Jh. vor Christus zu verschiedenen Königreichen gehörten. In China waren die Dai bekannt unter dem Namen „Tai-Kadai-Kam-Sui“. Mit der Bezeichnung „Dai“ fassen die Chinesen heute die verschiedenen Tai-Völker zusammen. Bis heute findet man im Süden Yunnans, in der Provinz Xishungbanna, die größte Gemeinschaft der Dai innerhalb Chinas. Viele von ihnen migrierten allerdings ab dem 8 Jh. nach Christus in Richtung Süden, da die Han- Chinesen ihnen immer mehr Lebensraum nahmen. Sie gingen in den Norden Burmas und Thailands und nach Laos und Vietnam. Während sie in China „Dai” heissen, werden sie in Burma „Shan“ genannt, in in Thailand „Tai” und in Laos „Lao-Tai“. Vietnam bezeichnet die dreizehn verschiedenen Gruppen der dort lebenden Dai übergeordnet als „Thai“. All diese Gruppen können sich mehr oder weniger untereinander verständigen, da sie alle der linguistischen Sprachgruppe der Tai-Kadai angehören.
Heute sind 55 % der laotischen Bevölkerung Tai, bzw. „Lao-Tai“. Untergruppen der laotischen Tai sind die Tai Daeng, die „roten“ Tai, und die Tai Dam, die „schwarzen“ Tai. Die Farben beziehen sich auf ihre Kleidung. Solche Bezeichnungen haben sich Volksgruppen in der Regel nicht selber gegeben, deswegen sind sie aus ethnologischer Sicht immer etwas fragwürdig. Die Tai Daeng und Tai Dam leben vor allen in der laotischen Provinz Huan Phan, nahe der vietnamesischen Grenze. Auch auf der „andere“ Seite in Vietnam, in Mai Chau in der Provinz Hoa Binh.
Das Weben ist für die Tai schon immer ein wichtiges Ausdrucksmittel gewesen. Ihre handwerklichen Fähigkeiten darin sind dementsprechend kunstvoll, kompliziert und elaboriert und die Verankerung der Textilien und ihrer Bedeutung mit ihrem kulturellen Leben tief. Für die Tai haben ihre Textilien immer auch eine spirituelle Bedeutung, da sie eng mit ihrem animistischen Glauben verbunden sind. Schamanen arbeiten oft mit gewebten Textilen, da ihnen eine heilende Wirkung zugesprochen wird. Sie sind sozusagen die Assistenten des Schamanen. Sie beschützen, transportieren, arbeiten heraus und wandeln um. Und sie harmonisieren. Für die Lao-Tai sind gewebte Textilien in der Lage, das Auge des Bösen abzuwenden. Durch ihre heilende Kraft und den Schutz, den sie dadurch bieten, sind sie besonders wichtig für Baby, Kleinkinder, Kranke und Reisende. Und für alle Arten von Feierlichkeiten, für Beerdigungen ebenso wie für Hochzeiten und Geburten.
Da sich heute allerdings immer mehr Lao-Tai dem Buddhismus als Religion zuwenden spielt der Schamanenkult eine immer kleinere Rolle. Viele Tais würden zum Beispiel heute bei Krankheiten nicht als Erstes sondern als Letztes einen Schamanen aufsuchen. Das hat natürlich Einfluss auf die Wertschätzung und Bedeutung ihrer Textilien. Ungebrochen ist dagegen weiterhin die Rolle der Webwaren bei Beerdigungen. Hier greift man so schnell nicht auf maschinengewebte Industrieware zurück.
Entscheidend für die spirituelle Kraft der Textilien sind ihre Muster und deren Anordnung. Es sind in erster Linie Darstellungen von Tieren und Pflanzen oder abstrakte Symbole, die für die Lao-Tai mystisch aufgeladen sind. Großflächige Muster sind für viele Weber der Lao-Tai eher in der Lage das Auge des Bösen abzuwenden als kleinteilige Motive. Es gibt für die verwendeten Muster und Motive kein hundertprozentig exaktes Erklärungssystem. Die Weber folgten zwar einem Kanon, aber genauso auch ihren persönlichen Interpretationen. Man darf nicht vergessen, das jeder Weber auch ein individueller Handwerker ist. Zumindest wenn es sich nicht um Lohnweberei handelt. Weber, die ihre Webstühle selber einrichten, geben mit der Einrichtung schon die Muster des Textils vor. In der Lohnweberei werden die Webstühle meistens von anderen eingerichtet
Eine zentrale Rolle in der Motivik spielt die Schlage Naga, die sich durch fast alle Textilien der Tai mäandert. Die Tai glauben, das sie mit der Schlage Naga eine Art Lovestory verbindet. Die Schlange jedenfalls tut den Menschen vor allem Gutes, sie bewahrt sie vor Krankheiten, bösen Geistern und Hunger. Ist sie aber verärgert macht sie genau das Gegenteil und bringt den Menschen Überschwemmungen, Hunger, Krankheiten, den Tod. In einem Interview sagte ein Weber der Lao-Tai aus Houa Phan dazu: „Wenn die Schlage sieht, das wir kein Textil tragen auf dem sie zu sehen ist, dann denkt die Schlage vielleicht wir respektieren sie nicht und dann wird sie uns vielleicht töten.“ (siehe dazu auch: Ellison Banks Findly: Spirits in the Loom. Religion and Design in Lao-Tai Textilies. White Lotus Press. Bangkok 2014, Seite 122 )
Für Animisten ist Naga auch der Geist ihrer Ahnen, die Buddhisten glauben daran das Naga Buddha damals vor dem Hochwasser gerettet hat. Auf jeden Fall ist das Symbol der Schlange auch ein zentrales Motiv im Buddhismus und auch im Hinduismus. Einige Forscher sehen in dieser Gemeinsamkeit einen Hinweis darauf, das die Tai schon früh mit der indischen Mythologie in Kontakt gekommen sind, durch die Anfänge der Seidenstraße während des Königreiches der Khmer (802-1431)