Der Chapan, auch Khalat oder Don genannt, wurde in ganz Zentralasien von Männern und Frauen getragen. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist gering. Alte Frauenmäntel haben unter dem Arm oft Abnäher, generell keinen Kragen und werden auch nicht mit einem Gürtel geschlossen, so wie es bei den Männer üblich ist. Heute wird der Chapan nur noch die älteren Herrschaften getragen, was natürlich schade ist.
Die Mäntel sind für die Region, die im Sommer sehr heiss und im Winter sehr kalt sein kann und in der es so gut wie nie regnet, perfekt. Im Winter trug man Mäntel, die mit Baumwolle gefüttert und abgesteppt waren, im Sommer wurden sie nur ganz leicht gefüttert oder gar nicht. Die Ränder der Mäntel sind mit einer Webborte eingefasst, die man Sheroza, zeh oder jiyak nennt. Das wird gemacht, weil es nicht nur hübsch sondern auch praktisch ist, den die eingefassten Rändern beschützen den Träger des Mantels vor bösen Geistern. Wissenschaftlich ist das nicht erwiesen, aber es soll auch mal einer das Gegenteil behaupten.
Auch die vielen verschiedenen Stoffe, mit denen ein Chapan von der Innenseite oft gefüttert worden ist, sollen zur Geistervertreibung beitragen. Viele verschiedenen Stoffe verwirren den bösen Geist und er wird den Träger des Mantels schlechter finden. So der textile Glaube. In Zentralasien ist man ausserdem der Meinung, das alle Stoffe und Muster zusammenpassen. Ein interessanter ästhetischer Ansatz, der ein europäisch geschultes Auge immer wieder verwundert.
Die oft überlangen Ärmel gab es aus zwei Gründen. Zum einen waren sie sehr gut gegen die Kälte, als eine Art integrierter Handschuh. Zum anderen gehörte es in Zentralasien zu den Regeln der Höflichkeit seine Ärmel zu verstecken.
Die Tatsache, das die Mäntel schon immer gerne als Geschenke für besondere Gäste, für Hochzeiten und andere Gelegenheiten verwendet wurden, wird nicht nur die Händler auf den zentralasiatischen Basaren gefreut haben. Je teurer und aufwendiger der Mantel, umso grösser dann auch die Ehre für den Beschenkten.
Natürlich gibt es den Chapan in sehr viel verschiedenen Ausführungen. Bekashab oder Alacha heissen sie, wenn sie aus gestreiften Bekashab gefertigt wurden, ein Stoff mit einem seidenen Kettfaden und einem Schußfaden aus Baumwolle. Shohi sind Chapans ganz aus einfarbiger Seide. Khorezem Mäntel kamen aus der frühere Region Khorezem, das Gebiet um Chiva herum, und haben eine sehr enge, gerade vertikale Fütterung. Es gibt den Chapan aber auch aus gestreiften Seidensatinstoffen, aus luxuriösen Seidensamt oder einfachen Blumendrucken und natürlich immer wieder mit Ikat, ob von Hand oder während der Sowjetzeit maschinell hergestellt. Bis 1900 änderte sich die Kleidung in Zentralasien nicht wirklich, das was sich änderte waren die Stoffe, ihre Muster und die Qualitäten.
Unter den Chapan trug man natürlich noch andere Kleidungsstücke, wie Röcke und weite Hemden oder sehr weite Hosen. Ein wichtiges Kleid für die Damen ist die Kurta, die unter dem Chapan getragen wurde und deren riesige Ärmel noch sehr weit aus dem Mantel herausschauen. Diese Unterkleidung variierte von Region zu Region und war auch zwischen Normaden oder Stadtbewohner sehr unterschiedlich. Während Menschen wie der Emir von Bukhara gerne seidene Brokatmäntel mit goldener Stickerei oder aus dem teueren Bakhmal Seidensamt trugen, war man eine Hierarchie darunter glücklich über importierte Stoffe (zb. aus England). In den unteren Rängen gab es dann die Mäntel aus Adras oder Shasi. Status konnte man übrigens auch an der Anzahl der Mäntel sehen, die übereinander getragen wurden, im Sommer aus dünnen kostbaren Ikatstoffen, im Winter mit Baumwolle gefüttert. Das sowas Auftragen könnte hat damals nicht sonderlich interessiert.
Die Bevölkerung in Zentralasien zeichnet sich neben der Vielfalt der Nationen auch durch die Unterscheidung zwischen Normaden und sesshafter Bevölkerung aus. Die Normaden unterschieden sich in ihren Bekleidungsgewohnheiten vor allem dadurch, das sie länger an alten Traditionen hingen wie die Menschen, die in den Städten lebten. Aufgrund der politischen Bedingungen war Usbekistan in den letzten 150 Jahren weniger religiös orientiert als andere muslimische Länder. Traditionell trugen die Frauen bis ca ins erste Quartal des 20 Jh. vor ihrem Gesicht noch den Chachvan oder auch Chasband oder Chedra genannt, einen handgewebten, steifen und durchsichtigen Stoff aus Pferdehaar. Darüber wurde der Paranja getragen, eine Art Übermantel mit falschen und sehr engen Armen, der auf dem Kopf getragen wurde. Mit der russischen Kontrolle über Zentralasien wurden diese Regeln immer seltener beachtet. Nach dem zweiten Weltkrieg trug eigentlich keine Frau mehr den Paranja, In den 70er Jahren war dann das knielange, bunte Ikatkleid der letzte Schrei für alle. Die Ikatstoffe kamen bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion aus Usbekistan. Diese Stofffabriken wurden allerdings nach 1991 nach und nach alle geschlossen, die meisten Kleider der Frauen sind heute aus importierten Stoffen gefertigt. Und immer noch kann man neben den dicken, alten Damen in Polyestermäntel auch jede Menge Miniröcke und Dekolletés finden. Nicht unbedingt am Nachmittag in der Stadt, auf jeden Fall aber abends beim ausgehen.
Noch mehr wissen über Usbekistan.
Bilder rechte Seite von oben nach unten:
1. Studenten in Mudaris, Samarkand. Sergei Mikailovich Prokudin-Gorskii, zwischen 1905-1915. Library of Congress Prints & Photographs Division Washington, D.C. 20540 USA
2. Junge im Innenhof der Tillia-Karl Moschee in Samarkand. Sergei Mikailovich Prokudin-Gorskii, zwischen 1905-1915. Library of Congress Prints & Photographs Division Washington, D.C. 20540 USA
3. Mantelverkäufer in Zentralasien. Aus dem Turkestan Album. Library of Congress Prints & Photographs Division Washington, D.C. 20540 USA
4. Ein Bürokrat aus Bukhara. Sergei Mikailovich Prokudin-Gorskii, zwischen 1905-1915. Library of Congress Prints & Photographs Division Washington, D.C. 20540 USA
5. Studenten in Samarkand. Der sitzende Mann trägt einen Chapan aus russischem Druckstoff, der stehende einen Bekasab. Sergei Mikailovich Prokudin-Gorskii, zwischen 1905-1915. Library of Congress Prints & Photographs Division Washington, D.C. 20540 USA
6. Alte Herren tragen gerne leichte, Samtmäntel. Hier auf dem Markt in Chiva.
7. Gerne werden die Mäntel auch als Dekoration an die Wand gehängt, hier ein gestreifter Bekasab. Gesehen so in einer kleinen Teestube in Bukhara.
8.
Der Männer im Chapan. Die gestreiften Mäntel sind Bekasabs aus Adras Stoffen gefertigt. Der Mann in der Mitte hat sich für die gesteppte Winter-Variante auf nackter Haut entschieden. Max Penson , ca 1940