Seide und Baumwolle in Usbekistan

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Usbekistan ist neben Lichtenstein der einzigste doppelte Binnenstaat der Welt. So nennt man Binnenländer, die wiederum nur von Binnenländer umgeben sind. Das ist natürlich keine gute Voraussetzung für ein Land, seinen Handel und seine wirtschaftliche Prosperität, aber Usbekistan hat mit seiner Lage an der damaligen Seidenstrasse auch einen absoluten Standortvorteil. Als Jahrtausende alter Handelsweg war die Seidenstrasse bis zur Wiederentdeckung der Seewege nach China die einzige Verbindung für den Warenaustausch von Ost nach West und umgekehrt. Das Kostbarste, was hier transportiert wurde, war die Seide. Die älteste Seide, die bisher gefunden wurde, stammt aus dem chinesischen Hemudu aus dem Jahre 3600 v. Chr. Die Anfänge der Seidenstrasse gehen sogar noch weiter bis auf das sechste Jh. v. Chr. zurück.

Mit dem Handel von Seide begannen die Chinesen, die sie gegen Pferde für ihr Militär eintauschten. Andere Exportschlager Zentralasiens waren Kamele, Melonen und Pfirsiche. Der Transport ging immer in Etappen, die von unterschiedlichen Zwischenhändler ausgeführt wurden. Da natürlich auch jeder etwas daran verdienen wollten und natürlich auch überall Zölle erhoben wurden, waren die Waren, endlich in Europa angekommen, exorbitant teuer. Ihre Blütezeit hatte die  Seidenstrasse während des römischen Reiches, als fast alle Römer besessen waren von den kostbaren Seidenstoffen. Hin- und Rückweg dauerten übrigens 6 bis 8 Jahre.

Im Jahr 420 v. Chr. schmuggelte angeblich eine chinesische Prinzessin bei ihrer Hochzeit Eier der Seidenraupe aus China heraus und das chinesische Seidenmonopol war mit einem Schlag obsolet. Da man aber nicht nur Seide tauschte, ging der blühende Handel mit Parfüms, Perlen, Keramiken und anderen Dingen weiter.

Nach der Spätantike war die Seidenstrasse auch in der Zeit des mongolischen Superreiches vom späten 12. bis zum 16 Jh. von Bedeutung. Auch wenn die Mongolen für ihre grausame Kriegsführung bekannt waren, schafften sie es durch ihre Religionstoleranz ein einheitliches Rechtssystem, Kultur und Kunstoffenheit, und Kommunikationssysteme wie Schrift und Post aufzubauen. So brachten sie Sicherheit und Wachstum in dieses große Gebiet. Als Reiter und Normaden legten sie einen Grundstein dieser Kultur auch in Zentralasien. Schließlich sind die Usbeken auch ein Turkvolk, ihr Name leitet sich von einem Herrscher der Goldenen Horde ab, dem Usbek Kahn.

Schon bevor die Portugiesen 1514 China auf dem Seeweg erreichen ging es mit der Seidenstrasse stetig bergab. Seewege wurden schon ab dem 11/12 Jh. immer wichtiger, da sie weniger gefährlich waren und weniger Zwischenhändler die Preise der Waren versauten. Ihre letzte Blüte erlebt die Seidenstraße dann erst wieder in der heutigen Zeit durch den Seidenstraßentourismus. Letztlich hat sie nicht nur die Grundlage gelegt für eine Identitätsstiftung über den Handel mit Textilien, sondern auch bedeutende und lebendige Kulturen in den oft unwirtlichen Regionen geschaffen. Der Name „Seidenstrasse“ stammt übrigens von Ferdinand von Richthofen, einem Geographieprofessor aus Bonn, der in der zweiten Hälfte des 19. Jh. lebte und viel in China geforscht hat.

Unter dem Namen Usbekistan gibt es das Land seid 1924, als Teil der ehemaligen Sowjetunion neben den 4 anderen Stan-Staaten Turkmenistan, Kasachstan, Kirgisistan und Tatschikistan. Davor war Usbekistan unter dem Namen „westliches Turkestan“ russische Kolonie. Im Zuge des „Great Game“ um die Herrschaft in Zentralasien zwischen England und Russland, gewann Russland in der ersten Hälfte des 19 Jh. das grosse Spiel. Und natürlich folgte sofort die Ausbeutung des Landes durch den Kolonialherren. In diesem Fall durch den grossflächigen Anbau von Baumwolle, um nicht mehr von den texanischen Rohwaren abhängig zu sein. Turkestan wurde komplett abhängig von Russland. Die Baumwolle wurde in die Webereien nach Russland geschickt und im Gegenzug gab es Weizen aus Sibirien. Unter den Sowjets wurde dann die Landwirtschaft des ganzen Landes kurzerhand in eine Baumwoll-Monokultur umgewandelt. Mit verheerenden Folgen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gab es erstmal enorme Engpässe und Hungersnöte, da der Austausch mit Weizen aus Sibirien, der zuvor diese Monokultur auffing, nicht mehr stattfand. Die enorm wasserintensive Bewirtschaftung der Baumwolle wurde durch das Wasser des Aralsees betrieben, dessen Austrocknung auch heute nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Eine der größten Umweltkatastrophen der Welt hat hier ihren Lauf genommen.

Wenn Baumwolle der König ist, ist Seide die Kaiserin. Beide existierten in Zentralasien lange nebeneinander. Das Gute an der Seidenzucht war schon immer, das sie nicht viel Platz brauchte und sich eine Familie mit ein bisschen Raupenzucht und Spinnerei ein schönes Zubrot verdienen konnte. Das sieht bei der Massenproduktion Baumwolle ganz anders aus. Auch heute noch spielt ihr Anbau in Usbekistan eine große Rolle. Weltweit steht es nach China, Indien, den USA und Brasilien an Platz Nr 5. der Top-Baumwollproduzenten. Zur Erntezeit müssen in Usbekistan ALLE mithelfen, auch die Kinder, die dann nicht in die Schule gehen dürfen. Das Pflücken passiert nämlich immer noch von Hand. Baumwolle muss schnell, und über einige Zeit immer wieder gepflückt werden, da nicht alle Bollen gleichzeitig reif sind.

Noch mehr wissen über Stoffe in Usbekistan.

Bilder rechte Seite von oben nach unten:

1. Der Markt in Samarkand auf dem Registan. Aus dem Turkestan Album. Library of Congress Prints & Photographs Division Washington, D.C.  20540 USA

2. Die Seidenstrasse im Mittelalter

3. Seidenspinnen, bzw Abwickeln. Aus dem Turkestan Album. Library of Congress Prints & Photographs Division Washington, D.C.  20540 USA

4. Der Emir von Bukhara, dessen Emirat in der Zeit der russischen Kolonialisierung weiterhin ein eigenständiges Protektorat war. Seyyid Mir Mohammed Alim Kahn (1880-1944) trägt wie alle hochwohlgeborenen Herren dieser Zeit einen Chalat aus Brokatseide, der mit goldenen Faden bestickt ist. Sergei Mikailovich Prokudin-Gorskii, zwischen 1905-1915. Library of Congress Prints & Photographs Division Washington, D.C.  20540 USA

5. Brotverkäufer in Samarkand 1911. Sergei Mikailovich Prokudin-Gorskii, zwischen 1905-1915. Library of Congress Prints & Photographs Division Washington, D.C.  20540 USA

6. Baumwollbollen fotografiert von Sergei Mikailovich Prokudin-Gorskii, zwischen 1905-1915. Library of Congress Prints & Photographs Division Washington, D.C.  20540 USA

7. Der Baumwollbollen ist allgegenwärtig in Usbekistan. Warum also nicht auch als Brunnen?