Ungarische Trachten aus Transilvanien

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Die Volkstrachten aus Kalotaszeg, einer Region im Westen Transsilvaniens, gehören aufgrund ihrer Formen und Farben, ihrer Liebe zur opulenten Dekoration, ihrer Ästhetik und ihrer handwerklichen Geschicklichkeit zu den Top10 der ungarischen Trachten. Es sind die aussergewöhnlich aufwendigen und harmonischen Stickereien, die konstruktivistisch anmutenden Formen der einzelnen Kleidungsstücke, ihr Spiel mit Volumen und geraden Flächen, die diese Trachten so besonders machen. Sie drückt sehr auffällig den Stolz und das Selbstbewusstsein ihrer Träger aus. Als Ungarn in der Diaspora haben die Menschen in Kalotaszeg ihre Identität besonders durch die Pflege ihrer Trachten und Volkskunst bewahrt. Immerhin leben sie seid Jahrhunderten in einem Vielvölkerstaat, zusammen mit Rumänen, Seklern, Deutschen, Roma und Sinti. Die in Rumänien lebenden Ungarn sind aber alles andere als nationalistisch gesinnt, ganz im Gegenteil zu ihren Landleuten in Ungarn.

Da die westlichen Einflüsse erst sehr spät in diese Region Transsilvaniens gelangten, haben die Volkstrachten der Siebenbürgener Ungarn bis heute sehr viel Altes und Ursprüngliches bewahrt. Durch die Rumänen beeinflusst fehlt ihnen der oft zu süße Schmelz der ungarischen Tracht. Statt dessen findet man eine großen Liebe zur Geometrie und Klarheit, die den floralen ungarischen Trachten und Textilen sehr gut bekommt.

Die Tracht der ungarischen Frauen aus Transsilvanien besteht aus einem Hemd, mehreren Unterröcken, dem plissierten Faltenrock mit Schürze, einer bestickten Weste, im Winter einer Walkjacke, und einem grossen Kopftuch. Dazu kommen noch Gürtel, Schuhe, Taschentuch und Schmuck. In Kalotaszeg trugen die Frauen meist schicke rote Ziegenlederstiefel. Die jungen Mädchen durften vor der Hochzeit eine Párta tragen, eine reich verzierte Perlenkrone. Sobald sie verheiratet waren gab es nur noch eine schwarze Haube mit gefalteten Seitenflügeln.

Das Spiel der Trachten aus Kalotaszeg mit Volumen lässt sich sehr gut an den alten Trachtenblusen der Frauen erkennen. Es gibt sie sowohl mit schwarzer als auch orangefarbener Kontraststickerei, was mit dem Alter ihrer Trägerinnen zusammenhängt. Ärmelbunde und Kragen sind mit kleinen Doppelkreuzstichen so eng bestickt, dass sie von weitem einen durchgängigen Farbstreifen ergeben. Die Stickerei nimmt sich dadurch zurück. Das entscheidende gestalterische Moment entsteht durch das Volumen der ballonartigen Ärmel und die extremen Raffungen am Kragen. Ganz anders als die eigentliche rumänische Tracht, die meist sehr gradlinig geschnitten ist.

Das zentrale Kleidungsstück der Frauen aus Kalotaszeg sind Rock und Schürze. Viele der alten Damen tragen bis heute weite, gemusterte Rocke mit Schürzen, eine moderne Abwandlung der alten Trachten. Im Volksglauben spielt die Schürze eine wichtige Rolle. Sie wurde von der Braut nach der Hochzeit sorgfältig aufgehoben, um ihr Kind, wenn es krank wurde, darin einzuwickeln. So glaubte man, die Heilung zu beschleunigen. Besondere Beachtung verdienen die Schürzen für die Festtage, da diese sehr aufwendig bestickt und verziert wurden. An Feiertagen wurden auch gerne mehrere Röcke übereinander gezogen. Es gibt hier Abstufungen, ob es sich um den normalen Kirchgang am Sonntag, einen kleinen Festtag oder einen hohen Feiertag wie Ostern oder Weihnachten handelt. Es gibt alte Schürzen aus hausgewebter Leinwand, doch die meisten sind plissiert, an ihrem Sattel mit Stickereien bedeckt und am Rand oft mit Spitzen und Bändern verziert. Die Schürzen der Frauen unterscheiden sich durch Farbe, Material und Verzierung von denen der Mädchen. An der Farbe des Randstreifens der Schürze konnte man das Alter der Trägerin erkennen. Bis zum 40sten Lebensjahr war er rot oder gelb, zwischen dem 40-60 Lebensjahr grün oder blau und ab 60 schwarz. Das gilt auch für den Überrock, den die Frauen erst seit Ende des vorigen Jahrhunderts tragen. Er ist bei den Mädchen rot, die Bräute tragen ihn in blau und die alten Frauen in schwarz.

Für die Männer war das wichtigste Kleidungsstück lange Zeit der Szür, eine alte Art Filzmantel mit Ursprung in Asien. Er lässt sich bis auf die persische Invasion vor fast 2000 Jahren zurückführen. Der Szüt diente als Schutz gegen Sonne, Wind und Kälte, in der Nacht war er für die Schäfer Kissen und Decke. Am Sonntag wurde dieses Allround Stück in der Kirche getragen, auch auf Hochzeiten war es üblich, den reich bestickten Szür zu tragen. Die jungen Männer in Kalotaszeg trugen neben bestickten, schwarzen Lederwesten weite, weiße Hosenröcke aus Baumwolle mit hellen Schürzen aus Blumendruckstoffen. Diese Trachten werden auch heute noch zu besonderen Tagen angelegt.

Noch mehr wissen über Kalotaszeg. 

Bilder, rechte Seite von oben nach unten:

  1. Schnitt des Trachtenrockes.
  2. Trachtenbluse, I-II Quartal 20 Jh.
  3. Männerguppe mit Schürze und Weste. Foto: Erdödi Mihály, Körösfö und Kalotaszeg 1940. Aus dem Archiv des ethnologischen Museum in Budapest. Neprajzi Museum Budapest.
  4. Hochzeitsschürze aus den II  Quartal des 20 Jh.
  5. und 7. Festtagstracht der jungen Mädchen, Ostern 2015 

Bilder unten, von links nach rechts

  1. Erdödi Mihály, Körösfö und Kalotaszeg 1940. Aus dem Archiv des ethnologischen Museum in Budapest. Neprajzi Museum Budapest.
  2. Erdödi Mihály, Körösfö und Kalotaszeg 1940. Aus dem Archiv des ethnologischen Museum in Budapest. Neprajzi Museum Budapest.
  3. Eine Tanzgruppe auf dem Weg zur Probe in Körösfö, 2013.